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Die Geschichte vom Kartoffelkönig

Vor kurzem kam der Bub mit einem Kartoffelkönig aus dem Kindergarten: nicht, daß ich bis dahin gewußt hätte, was ein Kartoffelkönig wäre! Aber ich wurde natürlich sofort aufgeklärt und seine Begeisterung war so ansteckend, daß ich mir von der Erzieherin das kleine Märchen geben ließ. Es hat uns allen so gut gefallen, daß in mir der Wunsch entstand,  einen eigenen Kartoffelkönig zu gestalten: auf meine Art, ohne Wackelaugen und Heißklebepistole. Also häkelte ich der größten Kartoffel in unserer Kartoffelkiste (die größte Kartoffel ist natürlich immer der Kartoffelkönig!) eine kleine, goldgelbe Krone, die ich mit passenden Stecknadeln befestigen konnte. Als Augen dienten die Beeren des Wilden Weins, eine dicke rote Weißdornbeere wurde zur Knollennase und in die mit einer dicken Nadel vorgestochenen Löcher des Mundes steckte ich kleine Ligusterbeeren. So einfach und so schnell entstand ein Kartoffelkönig, der seitdem in seinem Kastanienkörbchen neben unserem Eßtisch steht und unsere Mahlzeiten überwacht – und uns nicht selten ein Lächeln entlockt … was gibt es Schöneres?

Nachdem der Bub dann mit dem Kindergarten selbst an der Kartoffelernte des örtlichen Bauern teilnehmen durfte und mit der „kleinsten Kartoffel der Welt“ heimkam („Schau mal Mama! Ein Winzelpütt!“), hatten wir die Idee, die Geschichte vom Kartoffelkönig mit unseren Ostheimer-Figuren nachzuspielen: was für eine Freude, daß alle Figuren bereits vorhanden waren und sich im Fundus für den Jahreszeitentisch sogar ein passendes Körbchen fand! Und da wir finden, daß dieses kleine, feine Märchen noch mehr Menschen erfreuen sollte, präsentieren wir Euch jetzt exklusiv:

Die Geschichte vom Kartoffelkönig

Es war einmal eine große Kiste Kartoffeln. Die stand den Winter über im Keller der Großmutter im alten Haus.
Ich kann euch sagen, prachtvolle Kartoffeln waren darin, eine noch dicker als die andere!

Eines Tages aber, da rief es aus der Kartoffelkiste: „Ich will nicht geschält werden! Ich will nicht gekocht werden! Und gegessen werden will ich schon gar nicht! Denn ich bin der große Kartoffelkönig!“
Und das ist auch wahr gewesen! Denn mitten in der Kartoffelkiste lag der Kartoffelkönig. Der war so groß wie zwölf andere, große Kartoffeln zusammen. Gerade, als der Kartoffelkönig das gesagt hatte, kam die Großmutter in den Keller. Denn sie wollte ein Körbchen Kartoffeln holen. Die wollte sie schälen und zu Mittag mit Salz und Wasser kochen.

Auch den Kartoffelkönig legte sie in ihr Körbchen und sagte: „Oh, das ist aber eine dicke Kartoffel!“ Als die Großmutter dann mit dem Körbchen aus dem Keller kam und über den Hof ging, da sprang der Kartoffelkönig, hops, aus dem Körbchen. Und er rollte so geschwind durch den Hof davon, dass die Großmutter ihn nicht einholen konnte. „Ach“, sagte sie, „ ich will die dicke Kartoffel nur laufen lassen. Vielleicht finden ein paar arme Kaninchen sie und essen sich satt daran.“

Der Kartoffelkönig aber rollte immer weiter. Da begegnete ihm der Igel.

Der sagte:„Halt, dicke Kartoffel, warte ein Weilchen! Ich will dich zum Frühstück essen.“ „Nein“, sagte der Kartoffelkönig. „Großmutter mit der Brille hat mich nicht gefangen. Und du, Igel Stachelfell, kriegst mich auch nicht!“ Und eins, zwei, drei, rollte der Kartoffelkönig weiter, bis in den Wald hinein.

Da begegnete ihm das Wildschwein.

„Halt, prachtvolle, dicke Kartoffel!“ rief es. „Warte ein Weilchen! Ich will dich geschwind essen.“ „Nein“, sagte der Kartoffelkönig. „Großmutter mit der Brille hat mich nicht gefangen. Igel Stachelfell hat mich nicht gefangen. Und du, Wildschwein Grunznickel, kriegst mich auch nicht!“ Und ein, zwei, drei, rollte der Kartoffelkönig weiter durch den Wald.

Da begegnete ihm der Hase Langohr.

Der rief: „Halt, du schöne, dicke Kartoffel! Warte ein Weilchen! Ich will dich aufessen.“ „Nein“, sagte der Kartoffelkönig. „Großmutter mit der Brille hat mich nicht gefangen. Igel Stachelfell hat mich nicht gefangen. Wildschwein Grunznickel hat mich nicht gefangen. Und du, Hase Langohr, kriegst mich auch nicht!“ Und eins, zwei, drei, rollte der Kartoffelkönig weiter durch den Wald.

Da begegneten ihm zwei arme Kinder.

Die hatten Hunger und sagten:„Ach, was läuft da für eine dicke Kartoffel! Wenn wir die zu Hause hätten, könnte Mutter uns einen großen Reibekuchen davon backen.“
Als das der Kartoffelkönig hörte, da rollte er nicht mehr weiter. Und, hops, sprang er den Kindern ins Körbchen. So bekamen die Kinder einen dicken, fetten Reibekuchen des Mittags zu Hause und ließen ihn sich richtig gut schmecken…und wenn sie nicht gestorben sind….

-nach Wilhelm Matthießen 1891-1965-

Habt Ihr auch so eine Freude an Märchen? Unsere Lieblingsmärchen und -geschichten schreibe ich jetzt immer in unser kleines Märchenbuch … so entsteht mit der Zeit unsere ganz persönliche Sammlung. Ich hoffe, ich konnte Euch für dieses Märchen, das auch schon für Kleinkinder ab drei Jahren gut geeignet ist, begeistern.

Habt einen märchenhaften Herbst!

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9 Kommentare
  1. Nino sagte:

    Liebe Uta – in deinen Stories habe ich soeben einen Kommentar von einer deiner followers gesehen, die die Geschichte vom Kartoffelkönig gesucht hat. Da musste ich hier auch schnell nochmal suchen. Wir leben jetzt in Schottland, Aber ich habe die wundervollsten Erinnerungen an die jährliche Kartoffelparty (mit Eltern!) meines eigenen Kindergartens in Deutschland. Da musste jedes Kind die größte Kartoffel aus dem Keller mitbringen. Der Kartoffelkönig/die Kartoffelkönig (die ich sogar einmal sein durfte, Dank einer Riesenkartoffel aus dem Garten unserer Nachbarn) wurden gekrönt, und danach wurde aus den Kartoffeln für alle eine riesige Kartoffelsuppe gekocht. Eine wunderbare Kindheitserinnerung! Im Herbst feiern wir hier mit Freunden jedes Jahr unsere eigene Kartoffelparty. Ich erzähle die Geschichte immer frei, sehr abgewandelt über die Jahre, aber ich freue mich soooooo sehr sie Wort für Wort bei dir zu lesen. Denn dass ich sie so gehört habe, ist ca 30 Jahre her! Es ist mir richtig warm ums Herz jetzt. Danke ☺️

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  2. Anja sagte:

    Liebe Uta,
    Johann (4) hatte jetzt eine Woche rund um die Kartoffel im Kindergarten. Und gestern beim Abendessen hat er die Geschichte vom Kartoffelkönig erzählt! Da kam mir Dein Beitrag wieder in den Sinn- jetzt kann ich ihm helfen! Der Schweine-Name war ihm nämlich nicht mehr eingefallen! Liebe Grüße, Anja

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  3. Leni sagte:

    Liebe Uta, das Märchen vom guten Kartoffelkönig habe ich irgendwo schon einmal gehört –
    aber in Deiner tollen Inszenierung ist da Märchen noch viel schöner.
    Vielen Dank dafür (und dafür das es jetzt wieder bei mir präsent ist) ♥
    Liebe Grüße
    Leni

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    • Uta sagte:

      Liebe Leni! Hab ganz vielen Dank für Deinen Kommentar – ich habe mich so sehr darüber gefreut!
      Ganz liebe Herbstgrüße von Uta

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  4. Anke sagte:

    Hach, was schön!und wie toll das ihr das mit den Figuren auch darstellen konntet! Ich kenne daß Märchen als der dicke fette Pfannkuchen…hier im münsterland wirds so erzählt….? wie lustig! Liebe grüße, Anke
    Ps. Danke, das du solch Schöne Sachen mit uns teilst! ♡

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    • Uta sagte:

      Liebe Anke!
      Vielen herzlichen Dank für Deinen Kommentar! Da geht mir das Herz auf!
      Das Märchen vom Pfannkuchen ist tatsächlich sehr ähnlich!
      Liebste Grüße von Uta

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  5. frohundbunt sagte:

    Liebe Uta, vielen Dank für das wunderbare Märchen. Ich liebe solche Geschichten und werde wohl nie zu alt dafür sein….wunderschön habt ihr es mit euren Holzfiguren dargestellt. ❤️

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